Zukunftstaugliche Gebäude

Nachhaltige Wohn- und Objektarchitektur mit Keramik

Jahr für Jahr treten die Auswirkungen des Klimawandels deutlicher zu Tage. Nachhaltiges, ökologisch verträgliches Bauen ist damit die zentrale Aufgabe für Architektur und Städtebau. Jens Fellhauer, Geschäftsführer des Bundesverbands Keramische Fliesen e. V., erläutert im Gespräch mit fioLOOKBOOK, inwiefern Fliesen zu einer nachhaltigen Bodengestaltung beitragen können- und ob dies aktuell bereits „gebaute Realität“ ist.

Wie sollte eine nachhaltige, über Jahrzehnte „haltbare“ Bodengestaltung aussehen?

Ob Objekt- oder Privatbau – wenn Architektur zukunftsfähig sein soll, müssen die eingesetzten Materialien gleichermaßen funktional wie ästhetisch überzeugen. Für Bodenbeläge bedeutet das: Die Oberflächen sollten eine zeitlose Ästhetik besitzen – und zugleich den teils sehr hohen mechanischen Belastungen, beispielsweise in Flughäfen, über Jahrzehnte standhalten. Und sie sollten am Ende ihrer Lebensdauer wieder einsetzbar, also recycelbar sein.

Erfüllt die Feinsteinzeug-Bodenfliese diese Anforderungen?

Besser als die meisten anderen Bodenbeläge. Denn Keramik bietet gleich ein ganzes Bündel ökologischer und funktionaler Vorzüge. Unter gestalterischen Gesichtspunkten sind Fliesen aufgrund ihrer riesigen Oberflächen-, Format- und Farbvielfalt eines der variationsreichsten Materialien des Interior-Designs überhaupt. So findet sich für jeden Gestaltungsansatz eine passende Fliese, die visuell stimmig in ein Raumkonzept eingefügt werden kann. Derartige Bodengestaltungen können Jahrhunderte überdauern – wie wir in Gründerzeit-Häusern oder Jugendstil-Treppenhäusern sehen können, die heute noch häufig die Originalfliesen zieren.

Inwiefern teilen Architekten diese Sicht auf die Fliese?

Laut einer Architektenbefragung des Bauinfo Consult-Instituts aus dem Jahr 2013 sehen das erfreulich viele Architekten so. Denn auf die Frage, „Welche Belagsmaterialen werden in 5 Jahren angesagt beziehungsweise häufiger eingeplant?“ nannten 43 % der Architekten und Bauplaner mit Schwerpunkt Wohnungsbau „Keramik und Fliesen“ – noch vor Holz und Parkett, die mit 39 % an zweiter Stelle rangierten. Auch für den Objektbau führten keramische Beläge mit insgesamt 38 % aller Nennungen das Ranking der zukunftsfähigen Bodenbeläge an. 

Haben denn nicht viele Bodenbeläge eine günstigere
C02-Bilanz als die Fliese?

Nein – oder nur, wenn Äpfel mit Birnen verglichen werden. Natürlich erfordert der Brennvorgang einer keramischen Fliese zunächst einen vergleichsweise hohen Primärenergieeinsatz. Andere Bodenbeläge bestehen jedoch aus Grundstoffen, die bereits einen hohen CO2-Fußabdruck aufweisen. Wer das Treibhauspotenzial von Bodenbelägen über den gesamten Lebenszyklus inklusive Recycling oder Entsorgung betrachtet, stellt fest, dass keramische Fliesen über ihre Nutzungsdauer deutlich weniger C02-Aquivalente erzeugen als andere Belagsmaterialien.

Was passiert am Ende der Nutzungsphase mit der Fliese?

Mit einer Lebensdauer von über 50 Jahren entlasten Feinsteinzeug-Fliesen Ressourcenverbrauch und Stoffkreislauf erheblich. Ökologisch bedeutsam ist aber ebenfalls die Frage: Was kommt danach? Im Unterschied zu vielen anderen Bodenbelägen mit problematischen Inhaltsstoffen oder schwer zu recycelnden Mehrschichtmaterialien wird Keramik schon lange und ohne aufwändige Aufbereitungsprozeduren als Bauersatzstoff weiterverwendet.

Architekten treffen ihre Materialwahl nicht selten im Konflikt zwischen ökonomisch machbar und ökologisch wünschenswert. Was bedeutet das für die Bodengestaltung?

Nach unserer Erfahrung wird die Belagswahl häufig aufgrund der Anschaffungskosten getroffen – und dann Abstriche bei der ökologischen Verträglichkeit in Kauf genommen. Diese Rechnung funktioniert nicht, wenn eine Nutzungsphase von 50 Jahren angesetzt wird. Denn wer die Kosten verschiedener Bodenbeläge über diesen Zeitraum analysiert, wird überrascht sein. Tatsächlich nivellieren sich die Unterschiede im Laufe der Nutzungsphase – oder kehren sich sogar um.

So gesehen wären viele vermeintlich günstige Beläge auch ökonomisch eine schlechte Wahl?

Exakt. Denn die Unterhaltungskosten summieren sich über einen 50-Jahres-Zeitraum auf ein Mehrfaches der Anschaffungskosten. Im Falle weniger haltbarer Beläge entstehen neben dem Reinigungsaufwand Kosten für teils mehrere Renovierungszyklen sowie die Entsorgung. Eine vergleichende Kostenanalyse zeigt, dass die beiden Hartbeläge Naturstein und Fliesen auf lange Sicht sogar als ökonomischste Materialwahl gelten dürfen. Insofern ist es weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll, auf Bodenbeläge zu setzen, die zum Beispiel Luftschadstoffe emittieren oder von denen gar nicht klar ist, wie lange haltbar sie wirklich sind.

Wie tauglich sind Fliesen für gesunde Wohnkonzepte?

Durch die hohe Luftdichtigkeit moderner Bauten gleicht die Raumluft heute leider häufig einem „Giftcocktail“ verschiedenster gesundheitsschädlicher Substanzen. Durch die große Kontaktfläche spielt eine „schadstofffreie“ Wand- und Bodengestaltung deshalb eine wichtige Rolle. Fliesen aus deutscher Produktion bestehen aus heimischen mineralischen Rohstoffen, deren Bilanz ganz einfach aussieht: Wo kein Gift enthalten ist, dünstet auch keines aus. Was die Verlegematerialien angeht: Es gibt heute eine große Auswahl zertifizierter VOC-freier Fliesenkleber und Fugenmassen.

Welche funktionalen Eigenschaften unterscheiden keramische Oberflächen von anderen Bodenbelägen?

Die dicht gebrannte Oberfläche ist belastbar, kratzunempfindlich sowie hitzebeständig. Dadurch sind Fliesen auch bei hohen Temperaturschwankungen beziehungsweise starker UV-Strahlung formbeständig, bleichen nicht aus und verspröden nicht. Fliesen sind feuerfest und entwickeln im Brandfall im Unterschied zu vielen anderen Bodenbelägen keine giftigen Gase. Last but not least ist Keramik der ideale Belag auf Fußbodenheizungen. Denn aufgrund des geringen Wärmedurchlass-Widerstands leiten Fliesen die Wärme aus dem System quasi verlustfrei und damit energieeffizient an die Fußbodenoberfläche. Diese physikalische Eignung kommt besonders zum Tragen, wenn Fußbodenheizungen mit regenerativen Energiequellen kombiniert werden; denn dann sind die Vorlauftemperaturen so niedrig, dass ein exzellent wärmeleitender Bodenbelag erforderlich ist, um die nötige Heizleistung zu generieren.

Wie umweltverträglich entstehen Fliesen in Deutschland?

Umweltverträgliche Produktion und größtmögliche Ressourcenschonung sind seit vielen Jahren fest verankert in der Unternehmenskultur deutscher Produzenten. Im internationalen Vergleich existierten in Deutschland anspruchsvollste Umweltgesetze und strengste Kontrollverfahren. Die deutschen Fliesenhersteller verfügen über eine effiziente Brenn- und Produktionstechnik sowie ein ausgeklügeltes Energie- und Umweltmanagement. Dies fängt mit dem Einsatz von recycelten Rohstoffen und dem sauberen Energieträger Gas an; gängiger Produktionsstandard sind schadstofffreie Rohstoffe, effiziente Luftfilter und geschlossene Abwassersysteme. So entstehen in den Werken unserer Mitgliedsunternehmen Fliesen, die sicherlich zu den umweltverträglichsten Fliesen der Welt zählen.

Gibt es weitere Aspekte, die für Fliesen aus deutscher Produktion sprechen?

Ja, denn für die Ökobilanz eines Produktes ist die Bedeutung des Transportweges nicht zu unterschätzen. In den deutschen Werken kommen meist produktionsnah gewonnene Rohstoffe wie Ton, Feldspat und Kaolin zum Einsatz. Da deutsche Traditionsmarken ihre Produkte auch überwiegend für den Inlandsmarkt produzieren, erreichen wir extrem kurze Transportwege. Dies vermindert – verbunden mit einer extrem effizienten Logistik – Umweltlasten durch den Transport um bis zu 70 % im Vergleich zu ausländischen Lieferanten.

Dann gilt auch bei Fliesen der „Buy local“-Ansatz?

Ja, denn ökologisch betrachtet ist es nicht von Vorteil, dass zunehmend Fliesen aus China, Indien oder der arabischen Welt nach Europa importiert werden. Denn diese Länder produzieren ohne ökologische Mindeststandards und ebenfalls mit einer deutlich schlechteren C02-Bilanz. Im Falle von Naturstein wird dieser in Indien zum Beispiel häufig durch Ausbeutung der ArbeiterInnen und nicht selten durch Kinderarbeit erzeugt. Wirtschaftlich gesehen können europäische Produzenten, die enorme Summen in ökologisch verträgliche Produktionstechnik investiert haben, mit den Dumpingpreisen derartiger Importware nicht konkurrieren. Hinzu kommt die transportbedingte Umweltbelastung – die umso stärker zum Tragen kommt, je weiter der Produktionsstandort entfernt liegt.

Physikalisch überdauert Keramik Jahrhunderte – aber wie sieht „nachhaltiges“ Fliesendesign aus?

Nachhaltiges Fliesendesign entsteht durch Verzicht auf Effekthascherei und kurzlebige Trends. Wer sich die aktuellen Bodenfliesen-Sortimente deutscher Markenhersteller anschaut, stellt fest, dass exakt jene „zeitlose Optik“, die auch gerne als bodenständig bezeichnet werden darf, die zentrale gestalterische Klammer des gegenwärtigen Fliesendesigns „made in Germany“ ist. Ob klassische Steinzeug-Oberfläche oder authentische Natursteininterpretation; ob strukturierte Betonoberfläche oder die Neuauflage von historischen Dekoren: Wenn eine Fliese stimmig in ein ganzheitliches Raumkonzept eingefügt wird, entsteht eine Bodengestaltung, die problemlos Jahrzehnte überdauert.

Foto: BKF